Cyril Despres & das Schlammloch. Eine Episode schlägt Wellen.
Auf der 8. Etappe der "Dakar 2012" sind Cyril Despres und einige andere Fahrer in eine Schlamm-Falle getappt. Despres' Verhalten lässt seitdem die Wogen hochgehen. Denn Despres hat sein Bike nur unter Mithilfe des Portugiesen Paulo Goncalves aus dem Schlamm freibekommen. Und ist dann weiter gefahren, ohne seinerseits Goncalves zu helfen. "Wäre ich ein Politiker, würde ich sagen: Die Optik ist furchtbar!", sagt KTM-Berater Heinz Kinigadner. Und spricht bei der IG.G Klartext.

Ein Video der ASO zeigt den Vorfall im Zeitraffer…
Der Eurosport-Report zeigt es ausführlich…

Cyril Despres spitzt sich mit Vollgas in das Schlammloch und steigt vornüber ab. Das Bike steckt tief im Morast. Wenig später schlägt auch Paulo Goncalves ein – allerdings nicht mit derart hohem Tempo. Dass Despres nach "nur" zehn Minuten weiterfahren kann, verdankt er der tatkräftigen Mithilfe von Goncalves. Despres seinerseits aber lässt den Portugiesen nach dessen Helferdienst stehen und fährt weiter.

Paulo Goncalves: unbedankter Helfer im legendären Schlammloch auf der 8. Etappe.

Am Ende des Tages ist nicht nur Paulo Goncalves sauer gewesen. Auch Marc Coma war – gelinde gesagt – verärgert. Denn Despres hat von einer Zeitgutschrift profitiert, die die Rennleitung einigen Fahrern wegen der Schlamm-Episode rückwirkend gewährt hat.

Despres auf der 8. Etappe. Sein überstürzter Aufbruch öffnet die Flanke für Kritik.

"Ich will Cyril nicht in Schutz nehmen", sagt Heinz Kinigadner, der Despres gebeten hat, sich noch einmal bei Goncalves zu entschuldigen: "Ich kann mir vorstellen, dass er in dieser Situation einfach gesehen hat, dass sein Traum vom Dakar-Sieg gerade zerplatzt. Da können einem dann schon ein paar Sicherungen durchbrennen."
Und die Situation ist sicherlich auch prädestiniert für Missverständnisse gewesen: es sind bereits einige Rallye-Offizielle vor Ort gewesen, Despres' Rucksackfahrer Ruben Faria war im Anrollen; der Franzose mag sich gedacht haben, dass Goncalves von denen aus dem Schlamm befreit wird. Doch an Despres werden hohe Maßstäbe angelegt.

Cyril Despres: teaminterne Aussprache und nochmalige Entschuldigung bei Goncalves.

"Es haben sich viele bei uns über Despres beschwert", sagt Heinz Kinigadner. Der Superstar nimmt es ja selbst meist sehr genau mit Rules und Regulations. Davon weiß auch sein Team-Kollege Marc Coma ein Lied zu singen. Er ist am Ende des Tages trotz überlegenem Etappensieg der Verlierer gewesen. Denn durch die Zeitgutschrift hatte Coma nicht mehr die herausgefahrene Viertelstunde Vorsprung, sondern nur mehr ein paar Minuten: "Ich verstehe, dass Coma wütend war", sagt Kinigadner: "Marc ist g'scheit gefahren. Er hat bemerkt, dass die Passage immer tiefer wird, hat rechtzeitig gewendet und sich einen anderen, etwas längeren Weg gesucht. Und darum geht es bei Rallye Raid!" Es sei logisch und jedem Fahrer unbenommen, sich im Ziel zu beschweren, dass die Schlammpassage im Roadbook nicht vermerkt war – was Despres ja auch getan hat. Doch hätte die ASO dem so nicht nachgeben dürfen: "Was ist, wenn zum Beispiel Robby Gordon irgendwann einmal einen Drift hinlegt und dadurch einen größeren Stein auf die Piste wirbelt? Dann könnte sich ja auch jeder beschweren, weil dieser Stein nicht im Roadbook vermerkt ist. Und was ist, wenn in einem Dünenfeld der Sand witterungsbedingt plötzlich viel tiefer ist als angenommen? Kann man sich da dann auch erfolgreich beschweren? Diese Entscheidung kann ein Schuss sein, der für die ASO nach hinten losgeht", sagt Heinz Kinigadner.

Marc Coma: auf der Strecke eine Trumpfkarte erobert, von der ASO am grünen Tisch ausgestochen.

Er sei – so berichtet Kinigadner – unmittelbar nach der 8. Etappe aus einer der höheren ASO-Etagen angerufen worden, Marc Coma in seiner Wut doch ein wenig zu bremsen. Das habe er abgelehnt: "Coma kämpft da wie ein Löwe, bewältigt die Passage einwandfrei und steht am Ende mit Nichts da."

Marc Coma hatte nach der Vor-Sicht im Schlamm am Ende doch das Nachsehen.

Für KTM ist nach diesem ereignisreichen Tag natürlich auch die Stimmung im Team  auf der Kippe gestanden, sagt Kinigadner: "Ich habe noch am Abend mit den beiden gesprochen und ihnen gesagt, dass es hier nicht um 'Cyril gegen Marc' geht. Eigentlich sind beide Opfer der Rallye-Organisation, deren Entscheidung letztendlich das Dilemma herbeigeführt hat." (c. panny, hubert IV lafer)

IG.G-STORY: DIe Dakar-Berichterstattung der IG-Gatsch

LINK: Dakar 2012

IG.G-STORY: Dakar Spezial – Heinz Kinigadner über den Rallye-Klassiker

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