Sieben Mal ist Heinz Kinigadner bei der Dakar am Start gewesen. Er ist die Legende ganz zu Beginn der KTM-Erfolgsgeschichte. Kinigadner gilt als einer der spektakulärsten Motorrad-Piloten der Dakar – und als einer der schnellsten. Doch die Dakar unserer Tage ist zu schnell, sagt Kinigadner. Viel zu schnell: “Die Qualität des Materials ist extrem hoch. Die Qualität der Fahrer ist extrem hoch. Diese Kombination hat das Tempo bei der Dakar in eine Sphäre gebracht, die nicht mehr gesund ist. Die Piloten heute fahren zumeist mit sagenhaftem Speed auf einer Strecke, deren Eigenheiten und Gefahrenstellen sie nicht kennen.” Für Kinigadner ist das wie russisches Roulette, das Risiko ist kaum zu kontrollieren: “Es ist so, als würde man sehenden Auges ins offene Messer laufen.”

English version of this article: “We must slow down the Dakar!”

Seit 2015 versucht Heinz Kinigadner, Verbündete zu gewinnen, um die Motorräder bei der Dakar einzubremsen. Einige andere Dakar-Insider haben weitere Ideen präsentiert. Die Initiative sei durchwegs positiv aufgenommen worden, sagt Kinigadner: “Ich habe unter anderem mit Nani Roma und Stéphane Peterhansel gesprochen. Beides ehemalige Dakar-Sieger auf dem Motorrad. Beide sagen, es sei zum Fürchten, wie unkalulierbar riskant die Elite-Klasse momentan unterwegs ist. Einige Vorschläge sind von Marc Coma gekommen. Bei den UCI-Straßen-Rad-Weltmeisterschaften in Innsbruck haben ich auch mit ASO-Geschäftsführer Yann Le Moenner gesprochen. Er hat mein Anliegen verstanden und hätte unsere Vorschläge ebenfalls unterstützt.”

Das Ziel: mehr Spannung für die Fans und weniger Risiko für die Piloten.

Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, sollen vor allem das Tempo der Elite-Klasse drosseln. Sie hätten aber auch zur Folge, dass die Dakar abwechslungsreicher wird, das Klassement würde viel öfter durcheinander gewirbelt. Der Abenteuer-Faktor würde wieder eine größere Rolle spielen.

Verbot von Mousse am Hinterreifen
Heinz Kinigadner: “Wenn die Fahrer wieder einen Schlauch am Hinterreifen montiert haben, dann können sie auf felsigem Terrain und in steinigen Flussbetten nicht mehr so bedingungslos Gas geben. Wenn einer wertvolle Zeit verliert, weil er den Schlauch tauschen muss, dann wird er beim nächsten Mal nicht so heftig attackieren. Sie müssen also mit Augenmaß fahren und auf ihr Material aufpassen.”

Einheitsreifen für alle Elite-Piloten
“Es muss einen Einheitsreifen geben, der vom Hersteller codiert und montiert wird. So kann man sicherstellen, dass nicht irgendwo draussen auf der Strecke im Verborgenen geschummelt wird.”

Keine Mechaniker mehr
“Jeder Pilot wartet sein Bike selbst. Nur die Fahrer dürfen im Parc Ferme an ihren Motorrädern arbeiten. Natürlich dürfen sie Hilfe von Rucksackfahrern annehmen. Es gibt aber Zeitlimits. Und wenn bei einigen Gelegenheiten doch Mechaniker am Motorrad arbeiten dürfen, dann ist präzise festgelegt, wann und wie lange.”

Digitales Roadbook ohne lange Vorbereitung
“Langfristig muss das digitale Roadbook das Ziel sein. Etwa zehn Minuten vor dem Start bekommen die Piloten das Roadbook mit allen farbigen Markierungen überspielt und fahren los. Die stundenlange Vorbereitung am Vorabend gibt es dann nicht mehr. Das stößt derzeit aber vor Allem bei den Auto-Piloten auf einigen Wiederstand.”

Speed-Limit
“Die Geschwindigkeit wird bei 155 km/h begrenzt. Bei 150 km/h ertönt ein Warnlaut. Bei mehr als 155 gibt es eine Zeitstrafe.”

Weniger Tankstopps
“Das ist Marc Coma ein großes Anliegen. Das würde die Durchschnittsgeschwindigkeit ein wenig senken. Längere Strecken zwischen den Tankstopps machen das Rennen für die Fahrer etwas schwieriger, für die Organisation wird die Logistik einfacher.”

Matthias Walkner bekommt sein Roadbook in Zukunft möglicherweise als ePaper.

Vor etwa zwei Monaten wurden die Vorschläge der Gruppe um Heinz Kinigadner zusammen mit der ASO und den großen Hersteller-Teams diskutiert. Am Tisch saßen unter anderem Alexandre Kowalski (Yamaha), Ruben Faria (Honda), Pela Renet (Husqvarna) und Jordi Viladoms (KTM). Es war ein konstruktives Gespräch, bei dem man einige Maßnahmen für die Elite-Klasse formulieren konnte, die schon bei der Dakar 2019 umgesetzt werden sollten:

Ja zum Einheitsreifen, Mousse sollte diesmal aber auch am Hinterreifen noch erlaubt sein. Man hat sich auf den ‘Michelin Desert’ geeinigt. Und man hat sich demnach geeinigt, im März bei der ‘Merzouga Rally’ das Mousse-Verbot am Hinterreifen zu testen.

Bei dieser Besprechung wurde auch das Speed-Limit von 155 km/h akzeptiert.

Vereinbart wurde auch, die Piloten öfter ohne Mechaniker am Bike arbeiten zu lassen. So sollte bei einzelnen Etappen ein Parc Ferme eingerichtet werden, in dem nur die Piloten innerhalb eines Zeitlimits an den Motorrädern arbeiten dürfen. Wer ein größeres Problem hat, sollte am nächsten Tag nach dem Etappen-Start zurück in den Parc Ferme fahren und die Hilfe der Mechaniker in Anspruch nehmen dürfen, allerdings bei laufender Renn-Uhr.

Akzeptiert wurde auch das farbig vormarkierte Roadbook knapp vor dem Start der Etappe. In einem ersten Schritt sollte es aber noch auf Papier ausgedruckt werden. Das digitale Roadbook soll später in Zusammenarbeit mit der FIM umgesetzt werden.

Unmittelbar nach diesem Treffen war er mehr als zufrieden, sagt Heinz Kinigadner: “Das wäre schon ein wirklich guter erster Schritt gewesen. Doch leider ist wenige Tage später doch noch ein Veto gekommen.”

Do it yourself. Heinz Kinigadner will den Einsatz der Mechaniker reduzieren.

Und warum das bei der Dakar 2019 nicht passieren wird: Die Diskussion wird verschoben. Via eMail hat eines der großen Teams die Vereinbarung über die Einheitsreifen für die Dakar 2019 doch noch abgelehnt. Dieser jahrelange KTM-Konkurrent argumentiert, dass man speziell auf kurzen Etappen seit Langem mit Pirelli-Reifen getestet habe und dass man auf diese Test-Erfahrungen nicht verzichten wolle.

“Ich finde das ein bisschen schwach”, sagt Heinz Kinigadner: “Denn speziell bei dieser Dakar ist der Reifen wegen des großen Sand-Anteils eigentlich kein großes Thema. Die ASO hat dann aber gesagt, dass diese Änderungen nur umgesetzt werden, wenn wirklich Einigkeit unter den Herstellern herrscht. Da das nicht der Fall sei, kommt bei der Dakar 2019 nun nichts von alledem, das wir besprochen haben. Das ist enttäuschend, denn wir müssen die Elite-Piloten abbremsen. Darüber hinaus hätten diese Maßnahmen die Dakar sicherlich interessanter und noch abwechslungsreicher gemacht.”

Doch ein Anfang ist gemacht. Einige der hier vorgestellten Vorschläge sollen gemeinsam mit der ASO bei der ‘Merzouga Rally’ und in Kooperation mit der FIM bei der ‘Crosscountry-Rally-Weltmeisterschaft 2019’ getestet werden. Je nach Erfolg sollen einzelne Maßnahmen dann schrittweise eingeführt werden. (c. panny, hubert lafer)

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photos (c) Dan Istitene, Getty Images & Marcin Kin & ASO, Florent Gooden